Montag, 20. Oktober 2014

Prozessbericht vom 20.10.2014

Zunächst wurden heute der Polizeibeamte Jürgen B. (52) in den Zeugenstand gerufen und zu den Details der angeordneten Observation des Ibrahim B. befragt. Er war der Verantwortliche der Suchmaßnahmen und teilte mit, dass es bis zum 17.03.2014 keine Observationsmaßnahmen gegeben habe.

Als nächstes wurde Klaus B. (49), Kriminaldirektor der Polizei Bielefeld, zu den Details der von ihm überwachten Observation durch Spezialkräfte angehört. Er teilte mit, dass die verdeckte Observation vom 17.03.2014, 14.30 Uhr bis zum 18.03.2014, 14.47 Uhr durch den Einsatz von 6-8 Observationskräften aus Münster stattgefunden habe. Ibrahim B. befand sich demnach in der Herforder Innenstadt, besuchte unter anderem eine Spielhalle und erledigte Einkäufe in einem Supermarkt. Er sei dann zu einer Schrebergartensiedlung an der Werre, später dann zu einer nahegelegenen Tankstelle und von dort zu Fuß in Richtung Bielefeld gegangen.  Am 18.03.2014 sei er in der Zeit von 06.30 bis 15.17 Uhr observiert und dabei beobachtet worden, wie er zu Fuß nach Bielefeld zunächst in die Innenstadt ging. Auf der Herforder Straße sei dann der Zugriff erfolgt und die Observation damit beendet worden.

Auf die Nachfrage von Ibrahim B.´s Verteidigerin bezüglich detaillerierter Informationen zum Observationsgeschehen, dem Vorgehen und Verhalten der Observanten machte Kriminaldirektor B. aus Sicherheitsgründen keine weiteren Angaben.

Es wurden nun die Eintragungen aus dem Bundeszentralregister B.´s verlesen:

1995: Gemeinsamer Diebstahl in besonders schwerem Fall - 1 Jahr Haft auf Bewährung
1999: Unbefugter Gebrauch von KFZ, Hausfriedensbruch - Geldstrafe
2002: Betrug - Geldstrafe
2004: Betrug - Geldstrafe
2005: Gefährliche Körperverletzung, Fahren ohne Fahrerlaubnis - Geldstrafe
2007: Urkundenfälschung, Missbrauch von Papieren - Geldstrafe
2007: Vorsätzliches Fahren ohne Fahrerlaubnis in Tateinheit mit Betrug - 8 Monate Haft auf Bewährung
2008: Diebstahl - Geldstrafe
2010: Körperverletzung - Bewährungswiderruf
2010: Fahren ohne Fahrerlaubnis - Geldstrafe
2010: Sachbeschädigung - Geldstrafe
2011: Erschleichen von Leistungen - Geldstrafe
2012: Diebstahl - 2 Monate Haft auf Bewährung

Zu manchen Eintragungen wurden die Gerichtsakten hinzugezogen und teilweise verlesen. So zum Beispiel zu einem Körperverletzungsdelikt, welches am 15.07.2009 begangen wurde: Es kam in der Wohnung des B. zu einer heftigen Auseinandersetzung, in dem B. zunächst seiner Lebensgefährtin M. einen Schlag mit der Faust ins Gesicht zusetzte. Als ihre Schwester Sadete, die sich zusammen mit B.´s erst 16 Tage altem Baby auf dem Arm ebenfalls in der Wohnung aufhielt, eingreifen wollte, zog er diese an den Haaren in den Wohnungsflur, schlug sie mit dem Kopf gegen die Wand, setzte ihr Schläge und Tritte zu und würgte sie. Durch diese massiven Handlungen wurde dem Säugling, den Sadete M. noch im Arm hielt, der rechte Unterschenkel gebrochen. B. habe daraufhin die Wohnung verlassen und sei erst am nächsten Tag wieder heimgekehrt. Bei seiner polizeilichen Vernehmung gab B. später an, eines seiner anderen Kinder habe den Säugling getreten und so den Bruch verursacht.

Die Staatsanwältin bat, nachdem dieser Themenkomplex abgearbeitet war darum, einen richterlichen  Hinweis mit in das Sitzungsprotokoll aufzunehmen: als mögliche Tat käme auch die Störung der Totenruhe in Betracht, sofern die sexuelle Motivation zur vorsätzlichen Tötung Danos geführt haben könnte. Ebenfalls könne das Tatmotiv Rache erfüllt sein. Der Vorsitzende Richter Korte nahm diesen richterlichen Hinweis in das Protokoll auf.

Nun wurde der sachverständige Psychologe, Dr. Leygraf (61) angehört. Er sollte beurteilen, ob B. zum Zeitpunkt der Tat schuldfähig war. Der Sachverständige teilte zunächst mit, dass eine konkrete Beurteilung schwierig sei, da sich B. während des Prozesses nicht geäussert habe. So kann er nur das beurteilen, was sich aus den Schriftsätzen wie z.B. seiner Vernehmung ergibt.

B. habe jederzeit den Überblick über die Situation gehabt und ein funktionales Verhalten an den Tag gelegt. Es gäbe keinerlei Hinweise auf toxische Erkrankungen oder psychische Auffälligkeiten. Eine tiefgreifende Bewusstseinsstörung bei der Tat habe nicht vorgelegen. Er habe eine durchgehende Erinnerung an das Tat- und Nachtatgeschehen. Eine geistige oder sexuelle Störung läge nicht vor. Er habe eine dissozial geprägte Persönlichkeit und sei voll schuldfähig.

Nach dieser Schilderung wurde der Sachverständige Leygraf aus dem Zeugenstand entlassen und die Staatsanwältin hielt ihr Plädoyer:

Es gäbe drei Versionen der Tat. Die Staatsanwaltschaft hat keine Zweifel an der Version, der von den beiden Mithäftlingen geschildert wurde aufgrund des Detailwissens, die in diesem von B. unterschriebenen Geständnisses in weitem Umfang vorhanden wäre. Sie hält es für völlig unglaubwürdig, dass B. Danos Kopf an das Gestell des Trolleys mit dem Kabel geschnürt haben will, vielmehr war B.´s Ziel, ein Kind zu töten, damit die Erwachsenen ein Leben lang darunter leiden sollten. Dies sei der niederste nur denkbare Beweggrund, der sich im Laufe der Jahre zur Ablehnung einer ganzen Volksgruppe gesteigert habe. "Sowas nennt man Rassenhass" führte die Staatsanwältin weiter aus. B. sei voll schuldfähig - und daher plädiere sie auf Mord aus niederen Beweggründen ohne besondere Schuld. Diese sei aus prozessualer Sicht nicht zu begründen. Strafmaß: Lebenslänglich!

Die Vertreterin der Nebenklage schließt sich den Ausführungen der Staatsanwaltschaft an. Man habe zunächst große Bedenken gegen die beiden Mithäftlinge gehabt, sei nun aber von der Glaubwürdigkeit beider Zeugen überzeugt. Sie haben gut strukturierte Erklärungen abgegeben und auch die offensichtlichen Emotionen bei den Schilderungen seien glaubwürdig gewesen.

Der Vorsitzende erteilte nun Danos Vater das Wort. Dieser sprach B. direkt an: "Unsere Kinder haben gespielt wie Brüder. Was können wir dafür, wenn ihr euch streitet? Wir sind keine Menschen mehr, wir sind tot. Wie konntest du uns das antun?". An das Gericht gewandt: "Ich bitte ihn jetzt sofort freizulassen, ich warte keine 10 oder 15 Jahre. Ich brauche mit ihm nur 2 Minuten!".

Danos Mutter ergriff nun ebenfalls das Wort und wandte sich direkt an B.: "Ich verstehe nicht, was in deinem Kopf los war. Ich hatte sogar Respekt vor dir, wenn wir uns zufällig am Kinderspielplatz gesehen haben und den Kopf gesenkt, wenn wir Hallo zueinander sagten. Kannst du dir vorstellen, wie das ist? Mein kleiner Sohn fragt mich täglich nach Dano. Wann er wiederkommen würde oder ob er im Himmel sei."

Jetzt sollte die Verhandlung für 5 Minuten unterbrochen werden. Als B. aufstand und von den Bediensteten in den Verweilraum geführt werden sollte schleuderte ein Familienmitglied aus der Zuschauermenge heraus offenbar ein Feuerzeug mit voller Wucht gen Bakir und verfehlte ihn nur knapp. Der laute Aufprall des Feuerzeuges auf die Holzvertäfelung ließ zunächst auf einen Schuss schließen, was sich jedoch glücklicherweise als falsch herausstellte.

Nach der kurzen Verhandlungsunterbrechnung hielt nun die Verteidigerin von B., Rechtsanwältin Peterhanwahr, ihr Plädoyer:

Sie räumte zunächst ein, dass dies ein von hohen Emotionen geprägter Prozess sei, von denen man sich formal betrachtet frei machen müsse. Von den drei möglichen Tatversionen sei die ihres Mandanten die einzig Plausible. Die Zeugen K. und H., die Mithäftlinge also, seien absolut unglaubwürdig und hätten sich das Vertrauen ihres Mandanten in einer Streßsituation erschlichen. Die Schutzbedürftigkeit ihres Mandanten sei schamlos ausgenutzt worden, das von B. unterschriebene Geständnis eine glatte Lüge. Es seien schlichtweg "hanebüchene Geschichten" gewesen - und plädierte auf Körperverletzung mit Todesfolge und machte deutlich, dass sie weder Mordmerkmale noch niedere Beweggründe erkennen könne. Bezüglich des Strafmaßes bat sie das Gericht um eine gerechte Strafe.

Damit endete heute gegen 12.20 Uhr der vierte Prozesstag. Am kommenden Mittwoch, 13.00 Uhr, wird das Urteil erwartet.

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