Mittwoch, 15. Oktober 2014

Prozessbericht vom 15.10.2014

Gegen 09.00 Uhr eröffnete der Vorsitzende Richter Korte die Verhandlung.
Erklärung B., verlesen von der Rechtsanwältin (hier: Gedächtnisprotokoll)
B. kam im Alter von 4 Jahren nach Deutschland und beschreibt seine Kindheit als problematisch und gewaltbetont seitens seines Vaters. Er habe ihn häufig mit einem Stock auf die nackten Fußsohlen geschlagen und früh gelernt, dass es schneller vorbei sei, wenn er nicht schreien würde. Das Verhältnis zu seiner Mutter bezeichnet er hingegen als liebevoll. Beide Elternteile sind mittlerweile verstorben.
B. besuchte die Grundschule in Hiddenhausen, schloss die Schule in der 8. Klasse ohne Abschluss ab und war zweimal sitzengeblieben. Er hatte mehrere Aushilfsjobs in einer Schlachterei, fiel bei verschiedenen Umschulungsmaßnahmen stets durch. Zuletzt arbeite er von 2002-2007 in einem Schlachthof.
2004 lernte er Ribanna M. kennen und zog nach kurzer Zeit mit ihr zusammen. Nach einer verbüßten Haftstrafe zog er wieder nach Herford und zeugte mit der M. insgesamt 5 Kinder. Eine angedachte Heirat scheiterte seinen Angaben zufolge an fehlenden Papieren.
Von Beginn an sei die Familie der M. gegen die Beziehung gewesen. Er habe mit der Familie häufig im Streit gelegen, vornehmlich wegen Geld. Auch Ribanna und er haben immer wieder Konflikte gehabt und es sei häufig zu verbalen Streitigkeiten gekommen. Letztlich habe sich die M. von ihm getrennt und sei mit den Kindern nach Steinfurt gezogen.
2-3 Tage hätten sie keinen Kontakt gehabt, dann habe B. mit ihr telefoniert, um sie zurückzuholen. M. weigerte sich und erklärte, die Beziehung sei definitiv beendet.
Am 14.03. habe es erneut ein Telefonat gegeben, in dessen Verlauf B. und M. darüber gesprochen hätten, wann sie ihre Sachen aus der gemeinsamen Wohnung in Herford abholen könne. Er habe gegen 14.00 Uhr erneut mit ihr telefoniert und im Verlauf des Telefonates heftig mit ihr gestritten. Er sei erregt, wütend, verwirrt und verzweifelt gewesen, als Dano gegen 15.00 an seiner Haustür klingelte. Dano habe ihn auch schreien und weinen sehen und ihn ausgelacht.
Er habe Dano nun den Mund zugehalten und ihm mit der rechten Hand mindestens 10 mal ins Gesicht geschlagen, er habe daraufhin am Mund geblutet. Damit ihn niemand hört habe er ihn nun in einen Bettbezug gewickelt und solange zugedrückt, bis er keinen Puls mehr fühlen konnte. Danach sei alles wie im Film abgelaufen. Er habe Danos Kopf nun mit einem Kabel an das Gestänge des Trolleys festzurren wollen, das Kabel sei allerdings gerissen.
Er habe Dano ursprünglich in der Nähe der Bahnschienen ablegen wollen, wurde dabei aber von einem zufällig vorbeifahrenden Radfahrer gestört. So habe er ihn einige Hundert Meter weiter am späteren Auffindeort abgelegt.
B. betont, kein Geständnis gegenüber seinen Mitgefangenen abgegeben zu haben. Vielmehr habe man ihm die diversen Blätter so zur Unterschrift vorgelegt, so dass er den Inhalt der Blätter nicht sehen konnte und darauf vertraute, dass es sich angeblich um diverse Schreiben für einen Mietvertrag und Anwaltskorrespondenz handelte.
B.´s Rechtsanwältin ließ Nachfragen zu dieser verlesenen Erklärung nicht zu.
Erster Zeuge: Herr Dr. Kager, 51j., Oberarzt der Rechtsmedizin Münster
Der Zeuge Dr. Kager berichtete aus dem Obduktionsbericht. Dano sei altersgerecht entwickelt gewesen. Todesursächlich war ein Erdrosseln, weiterhin wurde stumpfe Gewalt gegen den Hals angewendet. Der Hals wies ca. 5-7 mm breite Strangulationsmarken auf, es kam zu Erstickungsblutungen sowie ein Blutstauungssyndrom im Kopfbereich. Es wurde desweiteren ein Lungen- und Hirnödem diagnostiziert. Zwei Schneidezähne wurden aufgrund offensichtlicher Gewaltanwendung gelockert, ein Schneidezahn war ausgebrochen. Gefunden wurden weiterhin hellrötige Hautverfärbungenan Gesäß und Unterarm sowie pink-blaue Gummianhaftungen an Scheitel und Schläfe.
Auf die Frage des Vorsitzenden Richters, ob das Obduktionsergebnis den Aussagen zur Tat durch B. entspricht äusserte Dr. Kager: “Ich habe aber Befunde, die in den Aussagen B. fehlen”. Nun wurden die sichergestellten Asservate beurteilt. Das in B. sichergestellte Kabel psst in Länge und Durchmesser von 4-5 mm zu den Strangulationsfurchen, die Danos Hals aufwies. Die sichergestellten DNA-Spuren bieten nur einen schwachen Beweis, da sie nicht in ausreichender Menge vorhanden und eine biotechnische Überprüfung nicht mehr möglich sei. Abstriche an Danos Leichnam ergaben keine Spermaspuren und auch keine Fremd-DNA. Die Dauer der Strangulationshandlung bis zum Eintritt des Todes wurde mit ca 1-2 Minuten beziffert.
Zweiter Zeuge: Herr Dr. Porsendörfer, 46 J., Biologe u. Sachverständiger für DNA-Analysen des LKA
Mit dem Zeugen wurden die Asservate aus dem Lebensbereich des B. sowie von Dano erörtert. Hierzu wurden die umfangreichen DNA-Auswertungen besprochen. Der erste gefundene Trolley wies keine Zellspuren oder DNA-Spuren von Dano oder B. auf und schied somit als Spurenträger und Beweismittel aus. Auch am zweiten Trolley konnten weder an den Griffen, noch im Innenraum DNA sichergestellt werden.
Entsprechende DNA-Spuren von Dano und B. wurden allerdings an einer Kinderjeans der Größe 122, dem Kapuzenshirt, der Ikea-Tasche sowie an drei Bettbezügen sichergestellt werden. In einem Bettbezug fand sich ein gebrauchter Kaugummi, der die Gummianhaftungen an Scheitel und Schläfe von Dano erklären. An und unter den Fingernägeln von Dano wurde keine DNA von B. Sichergestellt. An einem sichergestellten, olivfarbenen Pullover B.´s wurden Blutspuren ermittelt, die aber nicht von Dano, sondern von einer weiblichen Person stammen.
Dritter Zeuge: Ribanna M., 28 J., Ex-Lebensgefährtin von B.
Eklat direkt zu Beginn der Vernehmung: Frau M. hatte gerade erst auf dem Zeugensessel Platz genommen und wurde zu ihren Personalien befragt, als sie quer zum Angeklagten herüberschaute, sofort wieder aufstand und den Gerichtssaal mit den Worten verließ: “Ich kann ihm einfach nicht in die Augen schauen”. Der Vorsitzende Richter bat nun den Zeugenanwalt, seine Mandantin wieder hereinzubitten. Nach kurzer Zeit betrat Frau M. dann auch erneut den Gerichtssaal.
Die 28jährige Hausfrau hat mit B. Zusammen 5 Kinder und ist kurz vor der Tat an Dano aus der gemeinsamen Wohnung an der Berliner Str. In Herford mit dem Kindern nach Steinfurt verzogen. Sie schilderte die Beziehung zu B. Wie folgt: “Ich war 10 Jahre lang mit ihm zusammen – und es war eine einzige Katastrophe. Ibo [so wurde der B. genannt, die Red.] hat mich oft geschlagen und auch vergewaltigt. Ich habe ihn mehrfach angezeigt, aber er bekam nur Bewährungsstrafen”.
Sie schilderte, wie sie ihre Sachen aus der einst gemeinsamen Wohnung abholen wollte. Der Zustand der Wohnung sei sehr dreckig gewesen. Ihr sei aufgefallen, dass der große Teppich im Wohnzimmer fehlte. B. erklärte ihr dazu, dieser sei durch eine umgestoßene Colaflasche dreckig geworden und befände sich daher auf dem Balkon. Der M. fiel auf, dass die Wohnung an sich unaufgeräumt und dreckig, der Boden aber offensichtlich frisch gewischt worden und sauber sei.
Frau M. gibt an, seit dem 01.03.2014 in Steinfurt zu wohnen. B. wollte ihren Angaben zufolge nach Steinfurt nachkommen, was sie allerdings strikt ablehnte, da die Beziehung für sie beendet sei. Am 14.03.2014 kam es dann zu einem Telefonat, in dem erneut darüber gestritten wurde. Erneut machte M. ihm klar, dass er keine weitere Chance von ihr erhalten werde. “Mach das nicht, sonst passiert was!” soll B. geäussert haben. Als M.  sich davon nicht beeindrucken ließ äusserte er nach ihren Angaben: “Ich drehe gleich durch, du altes Miststück!”
“Ibo war von Anfang an nicht normal. Immer, wenn er wütend war, machte er etwas kaputt: einmal zerstörte er sein Handy, ein anderes Mal zerstörte er mit einem Holzstil wie von Sinnen den hochwertigen LCD-Fernseher. “.
Das Gericht wollte nun wissen, wie das Verhältnis von M. Familie zu B. gewesen sei. M. berichtet, dass ihre Familie ihn nicht mochte, weil er Türke sei. Auch habe er das in Romakreisen übliche Brautgeld nicht bezahlt. Er wollte aufgrund von Geldmangel monatlich 150.- EUR zahlen, tat dies aber nur ein einziges Mal und danach nicht mehr. Als ein Streit mit der Familie wieder einmal eskalierte drohte B.: “Ich werde noch Trauer in die Familie bringen. Und wenn ich wieder draußen bin dann mache ich euch alle fertig!”.
Nun wollte die Rechtsanwältin B.´s der Zeugin einige Fragen stellen, was diese kategorisch ablehnte. Vom Gericht ermahnt äusserte sie sich nur zögerlich und nicht inhaltsvoll zu Nachfragen. Immer häufiger sagte sie nun, sie wisse dies oder das nicht mehr. Auch die Tatsache, dass sich die älteste Tochter H. Nicht mehr von B. von der Schule abholen lassen wollte. M. habe aber nie nachgefragt, warum dem so sei – und falls doch, dann habe sie das wohl inzwischen vergessen.
Ob sie sich vorstellen könnte, dass B. sexuelle Absichten mit Kindern haben könnte verneinte sie. Nein, das könne sie sich eigentlich nicht vorstellen. Zumindestens nachts kann es aber ihrer Meinung nach nicht zu Übergriffen gekommen sein, da B. im Wohnzimmer und M. mit den Kindern im Ehebett geschlafen habe.
Der ansonsten sehr gefasste, fast schon cool wirkende B. fing während der Zeugenaussage der M. immer wieder an zu weinen und wischte sich mit dem Taschentuch verstohlen die Tränen aus den Augen. Nachdem M. den Zeugenstand allerdings verlassen hatte schaute er wieder stur vor sich hin und zeigte keinerlei Gefühlsregungen mehr.
Vierter Zeuge: Herr KHK Wittopp, 58 J., Leiter der Mordkommission Dano
Herr Wittopp berichtet darüber, dass nach der Öffentlichkeitsfahndung nach Dano rund 400 Hinweise aus der Bevölkerung eingegangen seien, die systematisch abgearbeitet wurden. Durch einen Zeugenhinweis geriet B. sehr schnell in den Fokus der Ermittlungen, da auch der Vermisstenfall Jenisa nun wieder eine Rolle spielt. B. saß wochenlang in Untersuchungshaft, weil er als Täter galt, die Tat konnte ihm aber nicht nachgewiesen werden, da zu dem Zeitpunkt Jenisas Leiche noch nicht gefunden wurde.
Es wurden die zeitlichen Abläufe und Observationsergebnisse mit der Faktenlage abgeglichen. Schließlich wurde B. festgenommen und legte ein Geständnis ab.
Fünfter Zeuge: Polizeibeamter G., 43 J., Mordkommission Dano
Der Polizeibeamte wurde, wie im ersten Termin sein Kollege F., zu der ersten Vernehmung B.´s nach seiner Verhaftung befragt. Die getroffenen Aussagen decken sich mit denen seines Kollegen F., so dass die Zeugenvernehmung keine neuen Erkenntnisse brachte.
Gegen 15.00 Uhr fand dieser 2. Prozesstag sein Ende. Morgen geht es weiter.

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