Mittwoch, 1. Oktober 2014

Prozessbericht vom 01.10.2014

Unter verschärften Sicherheitsvorkehrungen begann heute morgen um 09.00 Uhr vor dem Schwurgericht des Landgerichts Bielefeld der Mordprozess gegen Ibrahim B. dem vorgeworfen wird, den damals 5jährigen Dano K. ermordet zu haben.

Die Anwältin des Angeklagten B. stellte gleich zu Beginn den Antrag auf Aussetzung des Verfahrens bis zum 15.10.2014, da ihr aktuelle, weitere Ermittlungsergebnisse nicht rechtzeitig zugegangen wären und eine Verteidigung so unmöglich wäre. Das Gericht zog sich sodann zur Beratung zurück und lehnte den Antrag per verkündetem Beschluss ab. Sie stellte nun einen weiteren Antrag, denn der erste geladene Zeuge, ein Kripobeamter, solle nicht vernommen werden. Auch dieser Antrag wurde nach kurzer Beratung zurückgewiesen. Vom Gericht befragt, ob ihr Mandant heute aussagen wollte teilte sie mit, dass für den 2. Verhandlungstag eine Stellungnahme geplant sei.

Als erster Zeuge wurde nun der 53jährige Kripobeamter gebeten, die Festnahme von B. sowie die erste Vernehmung im Polizeigewahrsam sowie das Verhalten von B. zu schildern. B. habe mit sich gekämpft, teilweise habe er Tränen in den Augen gehabt. Er habe zunächst eingeworfen, dass ihm sein damaliger Anwalt aus Hannover (in Sachen Jenisa) geraten habe, bei der Polizei keine Aussage zu machen. Ein Impuls habe ihn aber dazu getrieben, eben doch auszusagen. Er schilderte dem Beamten seine Eheprobleme und sprach über ständige Streitereien. Dennoch habe er seine Lebensgefährtin wieder zurückhaben wollen. Es sei ein ständiges Hin und Her gewesen zwischen den beiden.

Am 14.03., dem Tag als Dano verschwand, habe er mehrfach mit seiner Lebensgefährtin, die ihn gerade wieder einmal verlassen hatte, telefoniert. Er sei frustriert gewesen. Nicht nur aufgrund der negativen Telefonate, sondern auch, weil er an diesem Tag bei einer Arbeitsagentur gleich zwei Absagen erhielt. Zu diesem Zeitpunkt klingelte Dano an seiner Tür um seinen Sohn G. zum Spielen abzuholen. Er wusste offenbar noch nicht, dass B.´s Lebengefährtin mit den Kindern längst ausgezogen war. B. antwortete schroff: "Verpiss dich!", hatte sich offenbar nicht unter Kontrolle und ohrfeigte Dano. Als dieser zu schreien begann und drohte, dies seinen Eltern zu erzählen, zog er ihn in die Wohnung. "Beruhige dich, komm runter! Schau Fernsehen!" soll er geäussert haben. In dieser Situation erfolgte ein weiteres Telefonat mit seiner Lebensgefährtin, die ihm unmissverständlich klar machte, nicht wiederzukommen. Dem Kripobeamten sagte er: "Ich dachte, mein Kopf zerspringt". Dano merkt offenbar, dass die Stimmung noch einmal brisanter wurde und versuchte daraufhin aus der Wohnung zu fliehen. B. habe ihn vor der Tür noch eingeholt, zurück ins Wohnzimmer gezerrt und ein herumliegendes Bettlaken fest auf sein Gesicht gedrückt, bis er nicht mehr atmete. Er habe dann eine Ikea-Tasche und einen Trolley aus der Abstellkammer geholt und Dano, eingewickelt in das Bettlaken, auf den Trolley gelegt. Dann sei er auf direktem Wege zur späteren Fundstelle an der Werre langgegangen, habe die verzurrte Tüte in das Gebüsch gelegt, nachdem er zuvor den Trolley in der Nähe der angrenzenden Eisenbahnbrücke ins Gebüsch geworfen hätte. Danach sei er, wie gewohnt, zum Boule-Spielen auf den Gänsemarkt und gegen 22.30 Uhr nach Hause gegangen. Morgens um 07.00 Uhr sei er dann von Nachbarn informiert worden, dass Dano verschwunden sei. Er sagte, er wisse von nichts.

Während dieser Schilderung bekommt ein älteres Familienmitglied einen Weinanfall und stößt wiederholt lautstark Beschimpfungen gegen B. aus, den das vollkommen unbeeindruckt lässt. Nicht ein einziges Mal schaut er auf, starrt nur stur vor sich hin. Die Verhandlung wird kurz unterbrochen und das Familienmitglied deutlich ermahnt und die Vernehmung des Kripobeamten kann weitergehen. Er berichtet von Strangulationsfurchen am Hals von Dano, die nicht von einem Bettlaken stammen könnten. An eine Strangulation könne sich B. aber nicht erinnern, er habe "nur zugedrückt".

Kurze Zeit später erhält das Kommissariat ein Fax aus der Justizvollzugsanstalt Bielefeld, in der sich B. nach seiner Verhaftung befand. Es gehe um den Vermisstenfall Jenisa. Zwei Mithäftlinge haben sich B. gegenüber als hochrangige Mitglieder der Organhandelmafia ausgegeben und gaukelten B. vor, ein involvierter  Rechtsanwalt sei in der Lage, Spuren beseitigen zu können. B. glaubte die Geschichte und erzählte Details zum Mord an Dano, die er den Ermittlern verschwiegen hätte. Er habe Dano mit einem Elektrokabel erdrosselt und auf dem Teppich gäbe es Blutspuren. Den habe er aber bereits auf dem Balkon der Wohnung entsorgt. Er begann über seinen abgrundtiefen  Hass auf die Familie seiner Lebensgefährtin zu sprechen, wollte ein Familienmitglied seiner Lebensgefährtin  sogar einmal mit dem Auto überfahren, habe von dieser Idee aber wieder Abstand genommen. Er wollte ein anderes Familienmitglied töten und lockte es auf einen Sportplatz; hier sei aber zuviel los gewesen, so dass er auch dieses Vorhaben abbrach. Er sei von unglaublichen Hassgefühlen gegenüber Albanern und Zigeunern wie zerfressen. Er habe Dano post mortem missbrauchen wollen und ihm bereits die Hose heruntergezogen, jedoch einen vorzeitigen Samenerguss gehabt und stattdessen auf den Leichnam uriniert.

Bei der Schilderung dieser Details bittet der Zeuge um eine kurze Verhandlungsunterbrechnung. Ihm und allen Anwesenden gehen diese Schilderungen sehr nahe und auch das Gericht ist sichtlich um Fassung bemüht. Nach einer 10minütigen Verhandlungsunterbrechnung wird der Beamte weiter vernommen:

Es wurde über die Motivlage gesprochen. Offenbar überwog zunächst der zwingende Wunsch zu töten um der Familie weh zu tun, die sexuelle Motivation sei wohl erst später hinzugekommen. Der Ermittler teilte nun mit, dass 31 Seiten an vermeintlichen Fakten seitens der Mithäftlinge bis zum 19.09. zurückgehalten worden seien, da es keine gewünschten Hafterleichterungen gab. Befragt, was für einen Eindruck B. während seiner Vernehmungen gemacht habe äusserte der Ermittler, er sei absolut ruhig, leise und sachlich gewesen. Nun wollte das Gericht erst einmal weitere Zeugen hören und baten den Ermittler, für weitere Fragen zur Verfügung zu stehen.

Gegen 11.15 Uhr wurde die nächste Zeugin in den Gerichtssaal gerufen: Danos Mutter.

Die 27jährige schilderte dem Gericht wie der Tag des Verschwindens aus ihrer Sicht verlief. Ihre Kinder seinen an diesem Tag nicht im Kindergarten gewesen. Sie sei mit Dano kurz in der Stadt zum Einkaufen gewesen, während sie nach der Rückkehr das Mittagessen vorbereitete wollte Dano noch ein wenig auf dem Spielplatz gehen, der sich direkt am Wohnhaus befindet. Ihm sei langweilig. Als er nach einiger Zeit nicht, wie vereinbart, zurückkam habe sie ihn zunächst auf dem Spielplatz gesucht aber nicht gefunden. Stattdessen sieht sie B. mit einer großen, blauen Tasche in Richtung Werreufer gehen, denkt sich aber nichts dabei. Sie bezeichnet B. dabei als "Teufel, Missgeburt" und wird vom Richter ermahnt, sachlich zu bleiben.

Nun kommt es erneut zu tumultartigen Szenen im Gerichtssaal. Das bereits verwarnte Familienmitglied wird ebenso des Saales verwiesen wie eine weitere Person, die wilde Drohungen gegen B. herausbrüllt. Da während der gesamten Verhandlung zwanzig Beamten von Justiz und Bereitschaftspolizei im Sall anwesend waren konnten weitere Ausschreitungen unterbunden und die Vernehmung fortgesetzt werden.

Das Gericht wollte sich nun ein Bild über die emotionale Situation von Danos Eltern machten und befragte dazu Danos Mutter: "Wie geht es Ihnen jetzt, wie kommen Sie mit dem Verlust klar?" Frau K. schildert unter Tränen, wie sie leiden würde: "Es ist, als sei es gestern passiert. Es tut einfach nur verdammt weh. In Kürze hätten wir eine Mutter-Kind-Kur angetreten und bald wäre Dano in die Schule gekommen.".

Nun erscheint der nächste Zeuge: ein Familienvater, der direkt über der Wohnung von B. wohnt und dessen Sohn ein guter Freund von Dano war. Er berichtete von ständigem Lärm und häufigen Streiteren aus der Wohnung des B. Dano hätte am Tattag bei ihm geklingt, um mit seinem Freund zu spielen. Da dieser aber nicht da war ging Dano wieder. Er habe nachfolgend aus der Wohnung des B. keine besonderen Geräusche gehört, sei aber auch mit einem Spiel beschäftigt gewesen, welches mit entsprechenden Hintergrundgeräuschen versehen sei. Insofern konnte der Zeuge leider nichts zum Tatablauf beitragen und wurde als Zeuge entlassen.

Als letzter Zeuge vor der Mittagspause wurde dann ein 60jähriger Herforder in den Gerichtssaal gebeten. Dieser hatte eine entscheidene Beobachtung machen können, denn er sah B. zirka zwischen 16.10 und 16.30 Uhr mit einem vollgepackten Trolli am Werreufer langgehen. Da ihm bekannt war, dass Dano als vermisst gilt hat er seine Beobachtung der Polizei mitgeteilt. Er schilderte, wie er mit Polizeibeamten die beobachtete Szene nachstellte und mit ihnen in die Stadt fuhr, um in den Kaufhäusern ähnliche Trolley-Modelle zu finden, damit man eine genauere Beschreibung dazu erhalte.

Es folgte eine einstündige Verhandlungsunterbrechnung - Mittagspause.

Um 14.00 Uhr wurde dann eine 41jährige Polizeibeamtin als Zeugin vernommen. Sie fand Dano und war als erste Beamtin vor Ort. Sie schilderte, wie sie im Gebüsch eine große, blaue Tasche fand, deren Tragegriffe fest verzurrt waren. Als sie mit zwei Stöckern das Objekt untersuchte stellte sie schnell fest, dass es sich schon alleine aufgrund des Gewichtes nicht um handelsüblichen Müll handeln könne. Desweiteren seien zahlreiche Fliegen aufgestiegen. Als sie vorsichtig mit den Stöckern die Verzurrung löste sei ein Fuß mit einem Schuh, wie ihn auch Dano auf den Fahndungsbildern trug, zum Vorschein gekommen. Sofort habe sie dann die Einsatzleitung verständigt, die umgehend mit Kriminaltechnikern und der Spurensicherung vor Ort erschien und das Fundgebiet weiträumig absperrte. Die Kinderleiche wurde nun zur Gerichtsmedizin gebracht, wo sie dann obduziert wurde.

Anhand der Obduktionsergebnisse fand nun eine Hausdurchsuchung bei B. statt. Konkret suchte man insbesondere nach einem Zahn oder Zahnfragmenten sowie nach einem möglichen Strangulationswerkzeug. Es wurden unter anderem zwei Antennenkabelfragmente gefunden, eine Mütze mit Sehschlitzen und auch ein Pullover mit dunkelbräunlichen Anhaftungen. Weiterhin wurde ein zahnähnlicher Gegenstand gefunden und auch benutzte Kondome im Wohnzimmer als auch im Kinderzimmer. Die Wohnung wurde daraufhin amtlich versiegelt.

Gegen 14.30 Uhr wurde dann ein weiterer, 59jähriger Ermittler des Kriminalkommissariats vernommen. Dieser berichtete über die Vernehmung von Danos Eltern sowie den weiteren Veranlassungen aufgrund der aufgefundenen Gegenstände in B´s Wohnung. Insbesondere aufgrund des Fundes von gebrauchten Kondomen im Kinderzimmer holte man Auskünfte beim Jugendamt der Stadt Herford ein, um etwaige Auffälligkeiten zu überprüfen.

Hier wurde von immer wiederkehrenden Gewaltausbrüchen des B. berichtet und ebenfalls darüber, dass einem seiner Kinder einmal ein Arm gebrochen wurde. Angeblich sei dies ein Unfall gewesen. Auch über Verhaltensauffälligkeiten von zwei seiner Kinder, H. (w.) und G. (m.) wurde berichtet. Diese berichteten von Doktorspielen, die sie mit B. spielen würden. H. habe danach immer Bauchschmerzen gehabt. G. stellte offensichtlich sexuell andeutende Praktiken mit zwei Puppen nach. Bei beiden Kindern ließ sich der Verdacht auf sexuellen Missbrauch nach einer angeordneten körperlichen Untersuchung aber nicht erhärten.

Der Beamte schilderte weiterhin noch seine Eindrücke zu B., der zwischenzeitlich von einem mobilen Einsatzkommando (MEK) observiert und letztlich festgenommen wurde: er habe teilnahmslos reagiert, als ihm eröffnet wurde, als Verdächtiger zu gelten.

Als letzter Zeuge für den heutigen Tag trat gegen 15.15 Uhr erneut der bereits zu Beginn verhörte Kriminalbeamte in den Zeugenstand. Es wurden mit ihm am Richtertisch diverse Lichtbildvorlagen erörtert und er äusserte sich noch zu seinen Erkenntnissen als Tatortbeamter nach dem Auffinden des Dano. Es sei ein spärliches Spurenbild gewesen, ausser dem eigentlichen Fund seien keine weiteren, verwertbaren Spuren sichergestellt worden.

Gegen 16.00 Uhr endete dieser sehr emotionale und aufwühlende Prozesstag. Das Gericht wies darauf hin, dass geplant sei am dritten Prozesstag (16.10.) die beiden Mithäftlinge des B. zu vernehmen. Der zweite Prozesstag wird am 15.10.2014 stattfinden.

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