Mittwoch, 22. Oktober 2014

Prozess-Nachlese - oder: ein persönlicher Kommentar

Heute wurde Ibrahim B. wegen Mordes und vorsätzlicher Körperverletzung am damals fünfjährigen Dano zu einer lebenslangen Haftstrafe verurteilt. Somit endet nach fünf langen Verhandlungstagen ein von Emotionen geprägter Mordprozess, den ich -nach Abschluss meiner offiziellen, journalistischen Berichterstattung- nun aus höchsteigener, persönlicher Sicht kommentieren möchte. 

Als Dano verschwand fiel mein Verdacht sehr schnell auf Ibrahim B., denn bereits im Jahre 2011 hatte ich ihn im ungeklärten Fall der Jenisa Muja im Fokus. Ich wurde damals gebeten, mich mit dem Fall journalistisch zu beschäftigen und kam nach umfangreichen Recherchen zu dem Ergebnis, dass durch öffentlichen Druck der Medien ein Wiederaufnahmeverfahren gegen B. erzwungen werden müsse. Trotz massiver Medienberichterstattung lehnte das Oberlandesgericht Celle dennoch ein Wiederaufnahmeverfahren gegen B. ab. Die Beweislage im Falle Jenisa reiche nicht aus um B. einer Straftat gegen Jenisa überführen zu können. Bis heute ist mir diese Entscheidung, die es in unserem Rechtsstaat nun einmal zu respektieren gilt, suspekt. Zugegeben: zum damaligen Zeitpunkt gab es keine Leiche. Aber: man hätte aus meiner Sicht auch eine simple Kindesentziehung anklagen können um dann zu schauen, was sich im Rahmen einer Beweisaufnahme ergeben würde. Natürlich bin ich kein Jurist, aber es war ja nun beileibe nicht so, als hätte es keine konkreten Verdachtsmomente, Spuren sowie subjektive und objektive Tatbestandsmerkale gegeben. Ich bin auch heute noch überzeugt davon, dass ein Wiederaufnahmeverfahren im Laufe des Prozesses weitere Beweise geliefert hätte die für eine Verurteilung B.´s gereicht hätten um ihn "aus dem Verkehr zu ziehen".


Die Berichterstattung über den vermissten Dano war von Beginn an unübersichtlich und gerade in den sozialen Medien wie z.B. Facebook reihte sich Falschmeldung an Falschmeldung. Es wurde wild spekuliert, es wurden falsche Fährten gelegt. Dano wäre zeitgleich an -zig Orten gewesen. Dennoch machte jede einzelne Spur, die sich herauskristallisierte, eine Überprüfung nötig. Sowas ist nicht einfach und kostet viel Zeit. Ich habe die Nächte nicht gezählt, in denen ich mich mit meinem Netzwerk (das muss so reichen, Details gibt es nicht, sorry) ausgetauscht habe. Immer in der Hoffnung, Dano noch lebend zu finden.

Am 18.03.2014 eröffnete ich die Facebook-Gruppe "Die Fakten zum Vermisstenfall Dano", da im Laufe der Tage die Meldungen immer hanebüchener wurden. Mein Ziel war, in dieser Gruppe faktisch belegte Informationen zu veröffentlichen, um Jenen den Wind aus den Segeln zu nehmen, die unbekümmert irgendeinen ungeprüften "Bullshit" schrieben, der in der Regel dazu führte, dass dieser Bullshit -zigfach geteilt wird und somit aufgrund der Vielzahl des unqualifizierten Nachplapperns zu einem Fakt heranreifte, der gar keiner war.

Als Dano gefunden wurde erreichte mich diese Meldung zeitnah telefonisch: "Da steht so ein komischer weißer Polizei-Bulli hinter der Tankstelle und die sperren da gerade alles ab" hieß es. Mir war klar, dass es sich hierbei um die Spurensicherung handeln würde und ich sollte leider recht behalten. Kurz darauf war seitens der Polizei eine Pressestelle eingerichtet und es wurde -noch vorsichtig, aber schon in die Richtung gehend- mitgeteilt, dass eine männliche Kinderleiche aufgefunden wurde und es sich vermutlich um Dano handeln würde.

All die Hoffnungen, ihn noch lebend zu finden, waren dahin. Kurz darauf der Hinweis, der mutmaßliche Täter sei festgenommen worden. Natürlich war es B. - die Kausalzusammenhänge zum Fall Jenisa Muja hatten sich ja längst in meinem Kopf eingebrannt. Ich hatte mich sehr, sehr früh festgelegt und hatte recht behalten.

Nun kam das nächste Wechselbad der Gefühle: würden die Beweise gegen B. ausreichen, um ihn endlich wegzusperren? Hier und da erreichten mich detailliertere Informationen als jene, die öffentlich wurden. Für mich persönlich schloss ich daraus, dass das, was an Beweisen vorlag, für eine Anklageerhebung ausreichend und auch dazu geeignet sei auf Mord zu erkennen.

Jeder einzelne Prozesstag war auch für mich auch eine emotionale Herausforderung. Es ist schwer zu ertragen, wenn man beispielsweise einen gestandenen Ermittler der Mordkommission, welcher ja berufsbedingt viel Leid sieht und im Volksmund als "hart" bezeichnet werden darf, die Fassung verliert und während seiner detaillierten Schilderung in Tränen ausbricht. Es es ist ebenso schwer zu ertragen, wenn man einem Täter in die Augen schaut und dieser völlig teilnahmslos da sitzt ohne auch nur ansatzweise eine Gefühlsregung zu zeigen. Es gäbe in diesem Prozess zahlreiche weitere Beispiele, die ich anführen könnte. Ich glaube aber, dass diese exemplarischen Beispiele reichen.

Es ist der guten Arbeit der Polizei zu verdanken, dass B. festgenommen werden konnte. Ich kann mir vorstellen, dass die zu Beginn vollkommen unklare Situations- und Sachlage eine enorme Herausforderung für sie war und ich kann mir vorstellen, dass die Ermittler in dieser Zeit "auf dem Zahnfleisch" krochen. Schaut man sich die Entstehung und die Enwicklung des Vermisstenfalls Dano an, so muss hier wirklich Respekt gezollt werden.

Auch das Gericht -insbesondere der Vorsitzende Richter Korte- gehört hier erwähnt. Einen solch emotional geprägten Mordprozess souverän und mit viel Augenmaß zu leiten war sicher keine leichte Aufgabe. Gerade in den zahlreichen Momenten, in denen es zu Tumulten kam, bewies er Professionalität und entschuldigte so Manches, was eigentlich verwarnungswürdig gewesen wäre. Weder Ordnungsgelder noch Ordnungshaft wurden verhängt - und das ohne, dass dies eine Einladung für weitere Aggressoren gewesen wäre. Danke dafür!

Zahlreiche Zuschriften erreichten mich bezüglich der Verteidigerin B.´s. Tenor: wie kann sie nur B. vertreten, wie kann sie nur Revision einlegen. Hierzu meine deutliche Antwort: weil sie eine Strafverteidigerin ist, die "das Beste" für ihren Mandanten herausholen muss. Das sehe ich vollkommen emotionslos, denn das ist ihre Aufgabe. Selbst Kindermörder haben ein Recht darauf, vor einem deutschen Gericht adäquat verteidigt zu werden. Alles andere würde unseren Rechtsstaat in Frage stellen. Ob es tatsächlich die angekündigte Revision geben wird? Ich weiß es nicht. Sollte dem tatsächlich so sein, so würde ich das bisherige Urteil dennoch nicht gefährdet sehen da das Gericht in Anbetracht der Tatsache, das das -offizielle- Geständnis von B. gegenüber der Polizei urteilsursächlich war, nicht gefährdet.

Sollte es tatsächlich zu einem Revisionsverfahren kommen, so werde ich darüber eine weitere Prozessbeobachtung veröffentlichen. Sollte es zum erwarteten Prozess gegen B. im Fall Jenisa Muja kommen, so werde ich ebenfalls berichten.

Ansonsten bedanke ich mich dafür, dass meine Berichterstattung bis zu 58.700 Leser alleine bei Facebook dazu animierte, sich mit diesem Mordfall auseinanderzusetzen.

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